Der Trümmer-Präsident
Kriegsverbrecher oder Staatsoberhaupt? George W. Bush ist Träger vieler Etiketten – je nach Sichtweise. Nach acht Jahren Präsidentschaft überwiegt vernichtende Kritik selbst von einst wohl gesonnenen Menschen. Von Tilman Steffen
US-Präsident George W. Bush hat schon viele Leute aktiviert, aber nicht immer begeistert. Am 15. Februar 2003 war es eine halbe Million. Die Masse zog zur Siegessäule im Berliner Tiergarten, um gegen den Irakkrieg zu protestieren. Europaweit gingen an diesem Tag Hunderttausende auf die Straße.
Die Friedensbewegung ergriff eine lang nicht erlebte Dynamik, seit der US-Präsident dem Terror den Kampf ansagte. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center vom 11. September 2001 begann der bis heute erfolgsarme Feldzug gegen Taliban und Al Qaeda, wenig später erklärte er Iraks Diktator Saddam Hussein zum neuen Hauptfeind. Der Militärschlag gegen das Land basierte auf frisierten Tatsachen, der Weg zurück nach Hause fand die US-geführte Militärallianz bis heute nicht.
Der Staatsmann, der sich nun auf Schloss Meseberg von der Bundeskanzlerin verabschiedet, nutzt die letzten Monate seiner Amtszeit, sein ramponiertes Image einigermaßen von Dellen zu befreien. Er versucht, sich den Nahost-Friedensprozess als Betätigungsfeld zu sichern, um auch noch aus dem Ruhestand heraus etwas tun zu können. Dort reden die verfeindeten Parteien nach siebenjähriger Pause wieder miteinander. Noch zu Bushs Amtszeit soll ein Rahmenvertrag her, der einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern ermöglicht. Ein solcher Kontrakt wäre eine Krönung für den scheidenden Präsidenten - doch er gilt als illusorisch
Die Kehrseite der Bilanz schmückt dagegen weniger: Guantánamo, Irakkrieg, Geheimgefängnisse der CIA - millionenfach ist Bush attackiert worden für die von ihm zu verantwortenden Menschenrechtsverletzungen. Dem SPD-Außenpolitiker und früheren Bundesminister Egon Bahr entrang sich im Deutschlandfunk ein Seufzer: Er wolle für die Nachwelt vor allem festhalten, «wie froh und erleichtert die Welt war mit der Aussicht, ihn los zu werden». Bushs Kritiker werfen ihm Völkerrechtsbruch vor, oder noch mehr, wie es der Linkspartei-Außenpolitiker Norman Paech im Gespräch mit der Netzeitung ungeschönt formuliert: «Nach juristischen Kriterien haben wir es mit einem Kriegsverbrecher zu tun.» Denn eine völkerrechtliche Grundlage für den US-geführten Einmarsch in den Irak ist für Paech nicht erkennbar.
Keine Punkte gesammelt
Lief die US-Politik in den Zeiten von Vater George (Bahr: «ein weiser Mann») oder während der Ära Clinton noch in einigermaßen nachvollziehbaren Bahnen, war nach dem Antritt von George Walker nichts mehr, wie es zuvor war. Mit Sorge blickten deutsche Politiker und andere Verantwortungsträger seither auf das Treiben in Washington. Nach acht Jahren lässt der Rückblick manchen schaudern. Das Ansehen der USA ist weltweit dahin. «Ich kenne überhaupt keinen Präsidenten in der amerikanischen Geschichte, der seinem Lande mehr geschadet hat», resümiert Bahr.
Dass die USA und die Koalition der Willigen>>> bei der Befriedung des Irak und den begleitenden Rechtsbrüchen keine Punkte sammeln konnten, bestreitet heute kaum jemand. Dennoch suchten bis zuletzt viele Bushs Nähe, allen voran die Bundeskanzlerin. Der FDP-Außenpolitiker Werner Hoyer ist froh, dass es der CDU-Politikerin gelang, die Beziehungen über den Atlantik zu normalisieren. Unter Kanzler Gerhard Schröder war das Verhältnis wegen dessen Nein zum Irak-Krieg stark unterkühlt.
Dennoch fällt Hoyers Bush-Bilanz «international ausgesprochen negativ» aus. Der Feldzug nach Bagdad ist für ihn eine «verheerende Fehlentscheidung, die uns auf Jahrzehnte beschäftigen wird», sagte er der Netzeitung. Auch sein Unions-Fachkollege im Bundestag, Eckart von Klaeden, spricht von einem «Desaster».
Wer macht es besser?
Irakkrieg, Klimaschutz, Finanzkrise – die Reparatur der Schäden wird dauern. Die Vielfalt der Probleme lässt auch den SPD-Außenexperten Hans-Ulrich Klose von Bush abrücken. «Die US-Administration hat in der Zeit Bushs sehr viel an Glaubwürdigkeit verloren. Das auszugleichen, wird einige Zeit brauchen», sagte der Hamburger der Netzeitung.
Viele hat der Präsident gegen sich aufgebracht – im Westen ebenso wie in der Gegend zwischen Irak und Pakistan. «Es bleiben nur Trümmer auf dem Feld der friedlichen Koexistenz gleichberechtigter Staaten», klagt der Linke Paech, der nun auf Bushs Nachfolger hofft. Für Hoyer ist die «Wertebasis der westlichen Welt erodiert».
Wer der beiden Präsidentschaftskandidaten es nun besser machen könnte, dazu wagt Klose keine abschließende Prognose
(s. Interview>>>) . Obama gilt als der Mann mit größerer Nähe zur Wirtschaft. Das wiederum macht ihn anfälliger für interessengeleitetes unilaterales Handeln, was das internationale Mühen um mehr Klimaschutz erschweren könnte. International fiel er bisher wenig auf. «Er wird in dieser Hinsicht jedoch vollkommen unterschätzt», sagt Hoyer, der den Senator aus Illinois unter anderem für seine «dezidierten Urteile» lobt. Der in Deutschland gut bekannte Obama-Konkurrent John McCain gilt wegen seiner Russland- und Irakpolitik als unsicherer Kandidat. Hoyer ist hier «ausgesprochen skeptisch». Der Linke Paech ist zumindest an einem Punkt sicher: «Beide haben das Trümmerfeld erkannt». Der Völkerrechtler hofft nun auf mehr Realismus in der US-Politik. In einem Jahr ist die Welt klüger.
http://www.netzeitung.de/politik/deutschland/1048297.html